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Irrweg Pilot

 
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nz747
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Anmeldungsdatum: 19.02.2013
Beiträge: 34

BeitragVerfasst am: Mi Apr 15, 2015 10:36 am    Titel: Irrweg Pilot Antworten mit Zitat

Vorwort:

Ich habe hin und her ueberlegt, ob ich das wirklich schreiben und posten soll, denke mir aber, es gibt zu wenige, die ueber die Misserfolge auf dem Weg zur Pilotenausbildung sprechen. Vielleicht nehme ich auch ein paar Leuten die Angst.
Ich moechte hier meine Erfahrungen und Gedanken auf meinem Weg in das Cockpit mit euch teilen. In meinem Fall ist, muss ich zugeben, bisher der Weg das Ziel. Ausserdem ist mir voellig klar, dass nicht jeder meine Ansichten teilt, dass jeder andere Erfahrungen macht und auch andere Voraussetzungen mitbringt. Diejenigen, die sich angesprochen fuehlen, koennen sich ja gern dazu aeussern.
Weiterhin moechte ich erwaehnen, dass ich kein Experte bin, meine Aussagen sind sicher subjektiv und es ist nicht meine Absicht, irgendjemandem persoenlich zu nahe zu treten. Da der Traumberuf Pilot bei vielen Kandidaten emotional tief verankert sein kann, ist es ein empfindliches Thema.
Als letztes bleibt zu sagen, dass ich keine Grundsatzdiskussion lostreten will, ob das Pilotendasein „gut „ oder „schlecht „ ist und es geht auch weniger um die Firmenpolitik, genauer pay2fly etc.
Gegenstand des Textes sind persoenliche Einstellungen – und Entwicklungen.


Mein Irrweg:

Ich bin 23 Jahre alt, Student, habe die BU mitgemacht sowie die alten Stufen I + II bei der Swiss.
Auf einem Flug von Berlin nach Antalya auf einer Boeing 737-700 durfte ich waehrend des Fluges in das Cockpit. Viel ist nicht passiert, ich kam paralysiert aus dem Cockpit. Ich war damals in der zweiten Klasse und wusste, dass ich Pilot werden musste. Ich habe angefangen an Flugsimulatoren zu spielen. Von meiner Grundschulzeit ist mir nicht viel in Erinnerung geblieben. Pilot war neben Lokfuehrer, Feuerwehrmann oder Astronaut eine Standardantwort auf die Berufsfrage.
Aber gut, ich wurde aelter und man bekam durch Hoerensagen, diversen Dokumentationen bei Welt der Wunder oder Galileo mit, wie schwer der Weg in das Cockpit ist. Zugegeben, fuer mich waren Piloten non plus ultra Menschen, die wohl keinerlei Schwaechen haetten.
In meiner Jugend wurden die Plaene konkreter und die Lufthansa schien den klassischen Weg zu ermoeglichen. Also Abi machen und ab zur LH. Um es kurz zu sagen, ich war auf dem Gymnasium schwer motivierbar, ein 15 jaehriger Dickschaedel, der dachte alles zu wissen. Lernen und Hausaufgaben waren fuer mich die Ausnahme, wohl auch, weil die Noten weitgehend in Ordnung blieben. Ich hoerte heavy metal und fuhr skateboard, viel mehr brauchte ich nicht, was mir vorallem Lehrer sehr negativ anrechneten, zu Recht. Dennoch blieb der Wunsch zu fliegen am Leben, sodass ich freie Zeit zu Hause am Simulator verbrachte, was sich mit der ersten Freundin dann erledigte. Der Rest blieb allerdings gleich und so ging ich ohne zu lernen durch die Oberstufe, meine Physiknoten waren katastrophal, obwohl ich ein Interesse an den Themen entwickelte, zu meiner Verteidigung, niemand hatte in der Oberstufe in Physik was zu Lachen. Ohne Aufwand und mit viel Missgunst von Lehrern und Mitschuelern hatte ich durchaus gute Noten in meinen Pruefungen und im Endeffekt ein durchschnittliches Abitur, ein Fluch, wie sich herausstellen sollte.
Ich bewarb mich bei der Lufthansa und wurde direkt zur BU eingeladen, dass ich beinah unvorbereitet in die BU ging sollte sich auszahlen – durchgefallen.
Es stand eine Neuorientierung an, zum Glueck musste ich den Zivildienst ableisten, der mir nochmal fast ein ganzes Jahr Zeit gab, was soll ich sagen? Das Jahr verging zu schnell. Ich ging arbeiten und reiste fuer ein paar Monate nach Neuseeland, in der stillen Hoffnung einen anderen Berufswunsch zu finden. Aber die liegen nicht auf der Strasse rum. Ich rannte der Illusion Cockpitjob hinterher und kam auf die Idee, das ganze einfach selbst zu finanzieren.
Wir schreiben Anfang 2012, ich erkundigte mich an diversen Flugschulen nach ATPL Ausbildungen. Nebenbei fuhr ich zu einem AMC und bekam ohne Einschraenkungen das Class 1 medical.
Der Weg war geebnet. Die finanzielle Abklaerung unternahm ich mit meinen Eltern, Kreditinstituten und Freunden und im September geriet ich an eine passende Flugschule. Mit dieser Flugschule hatte ich viel Kontakt per Email und Telefon, auf die Frage der Vermittlung wurde geantwortet „Wir haben Kontakt zu vielen renommierten Airlines und vermitteln unsere Schueler so gut es geht.“ Ein Satz, den ich bis dato sicher schon zweitausend Mal gehoert habe. Weiterhin wurde mir eine ATPL Klasse angeboten, die in einem Monat beginnen wuerde. Das ist erstaunlich oft passiert, neben der Vermittlung war die Ungewissheit ueber weitere Kurse nach denen, die in einer Woche starten wuerden, eine Standardantwort. Auf Druck der Flugschulen, vier an der Zahl, alle mit den gleichen Phrasen, lehnte ich jegliche Ausbildungs – und Finanzierungsangebote ab und ging studieren. Waehrend des Studiums fuehlte ich mich in die Schule zurueckversetzt, keine Motivation und kein Antrieb und den Kopf im Himmel. Ab und an hoerte ich von Leuten, die auch mit privater Ausbildung einen Job landeten und auf Boeing oder Airbus anfangen wuerden. Bei manchen habe ich die Odysee mit ansehen koennen, bei Anderen nicht. Aufgrund dieser Erfahrungen suchte ich wieder nach Wegen in ein Cockpit und kam auf die Swiss. Ich bewarb mich und erhielt die Einladung zur Stufe I, zum ersten Mal in meinem Leben verspuerte ich Ehrgeiz und Motivation. Die Vorbereitung auf die Auswahl bei der Swiss viel sehr ueppig aus und habe die erste Stufe bestanden.
Zur zweiten Stufe versuchte ich mich vorzubereiten, was leider schwer moeglich ist, ich wurde mit einem Trostpflaster in Form von zwei Jahren Wartefrist nach Hause geschickt.
Ich habe wieder angefangen zu studieren und entdeckte eine weitere Leidenschaft, von der ich nie geahnt haette, dass sie existiert – Sprachen.
Hier bin ich nun. Student. Vor zwei Monaten war ich gluecklich und nun kann ich mich wieder bewerben. Ich kann euch sagen, dass die Verfuehrung viel zu gross ist.
Ich habe so viel gelesen ueber den Beruf Pilot in den letzten zwei Jahren, habe Foren verfolgt und Geschichten gelesen und miterlebt durch Freunde und Bekannte und ich fuehle mich geheilt.
Die Swiss Auswahl, bei der ich auf ready entries sass, hat mir Angst gemacht. Menschen, die Alles fuer einen Job „da vorne“ tun wuerden. Der letzte Ausweg und nur Fragezeichen zu sehen. Ich war erleichtert, einen anderen Weg gegangen zu sein und trotzdem quaelt mich die Frage, was waere wenn...? Aber keine Sorge, nur ab und an.

Fazit:

Ich glaube, dass ich den wichtigsten Schritt gemacht habe, den man heutzutage gehen kann, wenn man den Wunsch so tief im Herzen hat – eine Leidenschaft finden. Fernab vom Fliegen und der Industrie. Es ermoeglicht einen Blick auf die Realitaet, eine Betrachtungsweise, die meistens fehlt.
Natuerlich schaffen es manche auf Anhieb ins Cockpit, natuerlich schaffen es andere ueber ewige Irrwege ins Cockpit und die Meisten schaffen es leider nie, egal ob mit oder ohne ATPL. MPL. CPL. Und was es nicht alles gibt.
Der Traum lebt weiter, auch in mir, aber mit ihm leben die Arbeitszeiten, der Stress, etc .
Ich hoere immer noch Metal und fahre auch immer noch Skateboard, beides mit Herz und Seele. Die Industrie hat sich entwickelt, die Bedingungen aendern sich und keiner wagt es, Prognosen zu treffen. Studieren macht mir wenig Spass, ich bin zu faul, aber ich mag mein Studium und es motiviert mich.
Ich denke es ist wichtig, dass ihr euch nicht von eurem Traum abbringen lasst und wenn ihr denkt, ihr schafft es ohne AirlineSupport, dann macht es. Aber fallt nicht auf p2f rein und lasst euch nicht ausschlachten. Letztendlich ist das Wichtigste am Plan A ein Plan B.

Wiederbewerbung bei der Swiss? Absolut! Ohne Bachelor? Nope!

Vielleicht bewerte die Situation falsch oder ueber, aber es kommt mir so vor als gaebe es zu viele junge Leute, die aehnlich verzweifelt sind, wie ich es war.
Vielleicht verstehe ich auch das System in der Industrie nicht und vielleicht war meine Entscheidungsfindung zu rational und nicht entschlossen genug.
Aber was im Moment fuer mich zaehlt ist, dass ich etwas gefunden habe, das mir viel Spass bereitet und ich geknickt bin, wenn eine Pruefung nicht gut laeuft.
Achja, mein finanzieller Status ist studentenmaessig flach, aber fuer’n Glas Nutella reicht’s. Was will man mehr?

Liebe Gruesse
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HF3221
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Anmeldungsdatum: 01.04.2003
Beiträge: 130
Wohnort: Hamburg

BeitragVerfasst am: Mi Apr 15, 2015 1:35 pm    Titel: Antworten mit Zitat

Wow!

Vielen Dank für diese offenen Worte. Es ist angenehm, mal eine andere "Geschichte" bzw. Sichtweise zu lesen. Ich kann diesen Gedanken in deinem Kopf völlig nachvollziehen. "[...]und den Kopf im Himmel", beschreibt genau meine Sicht auf die Dinge. Es ist etwas, egal was man tut, einfach immer ein fest verankerter Gedanke im Kopf, den man einfach nicht weg bekommt. Ich bin bis heute diesen Wunsch nicht losgeworden. Ich bin seit 12 Jahren in diesem Forum angemeldet, in einem Cockpit sitze ich jedoch bisher nicht und habe auch sonst nichts mit der Fliegerei, rein beruflich, zu tun. Für mich gab es auch so gut wie keinen anderen Berufswunsch aus Kindertagen, wie den des Piloten. Leider konnte ich mich in jüngeren Jahren auch nicht so sehr auf die Schule konzentrieren und zudem waren die Begleitumstände nicht die besten, so dass ich eben nie wirklich einen Fuß in diese Branche setzen konnte. Selbst die Ausbildung finanzieren kam für mich nie in Frage, weil ich einfach nicht den finanziellen Hintergrund hatte/habe, um dies auch in die Tat umzusetzen und als ich vor einigen Jahren an die Lufthansa eigene Altersgrenze von 27 Jahren gestoßen bin, und noch kein Abi hatte, war, rein faktisch, der Traum für mich ausgeträumt. Da began für mich dann der Prozess des "Exorzismus". Ich musste mich damit abfinden, eben keine großen Airliner durch die Lüfte zu kutschieren. 2012 habe ich dann angefangen mein Abitur über den zweiten Bildungsweg an einem Abendgymnasium nachzuholen und im Dezember diesen Jahres bin ich fertig. ich wollte damit einfach einen generellen Umschwung in meinem Berufsleben haben und mich irgendwie in der Luftfahrt niederlassen, sprich ein Studium in der Luftfahrt anstreben.

Dann kam alles anders... 2014 ist das Jahr, wo Lufthansa die Altergrenze aufgehoben hat und es wieder eine reele Chance für mich bestand, doch noch Pilot zu werden. Alles was ich dazu brauchte, war ca. zwei Monate zu warten, bis ich mein Zeugnis 12/2 kriegen sollte, um mich offiziell bewerben zu können. Man kann sich sicherlich vorstellen, was dann alles in meinem Kopf los gewesen ist. Die ganze Arbeit der Austreibung war verflogen und ich hielt wieder an dem Gedanken fest, doch noch in die Lüfte steigen zu können. ca. zwei Wochen vor meinem besagten Zeugnis kam dann der Genickbruch: Bewerbungsstopp! Ich war etwas am Boden zerstört und frustriert, nun wieder einen Dämpfer bekommen zu haben, obwohl ich mich damit bereits abgefunden hatte. Wie die Lage momentan aussieht, wissen wir hier alle, die sich ausgiebig mit der Thematik beschäftigen.

Nun heißt es doch wieder, sich auf ein "normales" Studium zu konzentrieren und die alten Federn abzustreifen. Selbst wenn im Laufe des Jahres die Bewerbungsportale wieder geöffnet werden, brauche ich mir realistisch betrachtet keine großen Hoffnungen zu machen. Wie auch immer die neuen Konditionen aussehen werden und selbst, wenn diese eine bessere Lage als zur Zeit anbieten, würde der gesamte Prozess von Bewerbung bis Ausbildungsende und Einstieg in den fliegerischen Dienst einfach nicht mehr zur Debatte stehen.

Mein Fazit aus dem Ganzen ist:
Man sollte sich in der regulären Schulzeit auf jeden Fall mehr auf die Schule konzentrieren und den Fokus nicht verlieren. Leider weiß man meißt erst später, im fortschreitenden Alter, was die wesentlichen Dinge im Leben sind und worauf es letztlich ankommt. Die Quittung kommt, ohne Frage. Ob selbstverschuldet oder nicht, dessen ist man sich aber in jungen Jahren einfach, in der regel, nicht bewusst.

Ich wünsche allen, die den Traum besitzen, diesen auch zu ihrer Zufriedenheit erfüllen zu können. Es gibt genügend Beispiele, dass dieser Beruf auch nach hinten losgehen kann und es gehört auch eben eine Portion Glück dazu, nicht in die Maschinerie von Dilettanten zu geraten.

In diesem Sinne,

Stefan
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